
Partner mit Profil
Wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät, braucht es verlässliche Partner mit Visionen.
Die PARAT-Gruppe im bayerischen Neureichenau hat in der Invest AG genau so jemanden gefunden.
Im Oktober 2009, mitten in der Wirtschaftskrise, gingen unsere Umsätze durch Ausfälle bei Kunden massiv zurück. Um das Schlimmste zu verhindern, mussten wir ein Planinsolvenzverfahren eröffnen. Für PARAT war es extrem wichtig, neben einer neuen Hausbank langfristig orientierte Investoren zu finden, die den Plan des Managementteams auf Eigensanierung statt Zerschlagung der PARAT-Gruppe voll unterstützen“, erzählt CFO Thomas Kritzenberger. Das Konzept ging auf: Heute stellt das mittlerweile weltweit agierende Unternehmen mit Sitz im bayerischen Neureichenau hochfunktionale Verkleidungs- und Strukturbauteile aus Kunststoff her und ist Marktführer im Bereich Werkzeugkoffer und -taschen und auch in Österreich mit einer Niederlassung vertreten.
Verborgenes Juwel
Damals vermittelte die niederbayerische Regierung den Kontakt zu der lnvest AG, der Private-Equity-Gesellschaft der Raiffeisenbankengruppe OÖ. „Die deutschen Banken haben PARAT einfach nicht mehr finanziert, doch wir haben schnell gesehen, dass das Unternehmen technisch sehr gut aufgestellt war, obwohl vorher überhaupt keine Geschäftsbeziehung bestand. Für uns war PARAT von Anfang an ein sogenannter ‚Hidden Champion‘“, erinnert sich Leopold Strohmayr, Vorstand der Invest AG. Für das Unternehmen arbeiteten 580 Mitarbeiter und man hatte sich zu diesem Zeitpunkt auf drei Geschäftsbereiche fokussiert: Leichtbaulösungen für Nutzfahrzeuge, Werkzeugkoffer und -taschen sowie Cabrio-Verdecke. Im nächsten Schritt wurden 2010 zwei Mehrheitseigentümer ins Boot geholt: Die Endurance Capital AG, eine Münchner Beteiligungsgesellschaft, die in Unternehmen in „Special Situations“ investiert, hat zwischenzeitlich 45 Prozent der Geschäftsanteile an der PARAT GmbH übernommen, die Invest AG ebenfalls. Zehn Prozent blieben beim Management des Unternehmens. „Zusätzlich wurde die Raiffeisenlandesbank OÖ eingebunden, dessen Vorstand das Vorhaben ebenfalls entscheidend unterstützte“, erzählt Kritzenberger. Jetzt konnte die Invest AG eine entscheidende Stärke der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich in die Waagschale werfen: die Einbindung in ein extrem leistungsfähiges Netzwerk. Zur Finanzierung des Neustarts der PARAT-Gruppe stellte sie wichtige Bankkredite zur Verfügung, die bayerische Förderbank LfA half ebenfalls mit einem Darlehen aus. Um die Liquidität sicherzustellen, wurde mit der activ factoring AG eine flexible Factoringlinie vereinbart und auch die Raiffeisen-Impuls-Leasing war Teil des neuen Konzepts: Innovative Leasinglösungen machten bisher gebundenes Kapital frei. Dass alle an einem Strang zogen und an einer tragfähigen Gesamtfinanzierung arbeiteten, „überzeugte die Gläubiger, die in ihrer abschließenden Sitzung für den Insolvenzplan und somit für das Fortbestehen der PARAT-Gruppe stimmten. Damit konnte die PARAT-Gruppe die Insolvenz innerhalb von nur sechs Monaten abschließen und die 580 Arbeitsplätze retten.“
Neuer Schwerpunkt, neue Märkte
2014 konnte CEO Frank Peters, ein international erfahrener Kunststoffexperte, für die Geschäftsführung gewonnen werden. Damit stärkte die PARAT-Gruppe eine entscheidende Säule der weiteren strategischen Ausrichtung. Organisatorisch folgte eine Konzentration auf Unternehmensbereiche mit dem größten Zukunftspotenzial. Man entschied sich, die Sparte Struktur-Leichtbauteile für die Nutzfahrzeug-, Baumaschinen-, Caravan- und Landmaschinenindustrie auszubauen, da das niederbayerische Unternehmen hier besonders gut aufgestellt war. Und das funktioniert. PARAT konnte inzwischen das weltweit größte und modernste LFI-Produktionszentrum aufbauen. Mit der neuen Produktionsanlage wird hier nun der nächste Schritt in Richtung Innovationsführerschaft eingeläutet. Dazu gehören unter anderem auch internationale Aktivitäten: „Neben dem Neubau eines Produktionsstandortes in Ungarn im Jahr 2014 mit einem Investitionsvolumen von rund zehn Millionen Euro wurde 2015 mit der Eröffnung unseres Vertriebsbüros in Shanghai und der Gründung eines Produktionsstandortes in Nantong ein weiterer Meilenstein gesetzt“, sagt Kritzenberger. Aber auch in Bayern expandiert man. Eine vielversprechende Zusammenarbeit mit dem Technologie Campus in Freyung fördert die Innovationsstärke. In den nächsten drei Jahren sollen gemeinsam Kunststoffverkleidungen für Nutzfahrzeuge hergestellt werden, die weniger schnell verschmutzen und analog bekannter Selbstreinigungseffekte (Lotus-Effekt) die Oberflächenreinigung von Fahrzeugen erleichtern.
Ausgezeichneter Lauf
Das Segment Werkzeugkoffer und -taschen wurde ebenfalls erfolgreich ausgebaut. Auch hier nutzt man Synergien innerhalb des Unternehmens, vor allem die ausgezeichnete Kunststoffexpertise, die sich insbesondere in der hochwertigen Verarbeitung und den vielfältigen Materialien widerspiegelt. Aufgrund der 70 Jahre Expertise im Koffer-Segment und der technologischen Kompetenz konnte man außerdem die Nische der kundenindividuellen Entwicklung von Systemkoffern mit vollintegrierter IT-Infrastruktur wie Laptop, Drucker, Kartenlesern etc. als Marktführer besetzen. Mit dieser neuen, im Unternehmen vernetzten Arbeitsweise entstanden so Produkte, die Maßstäbe setzen. In den ersten Jahren der Reorganisation wurde so auch gleich der begehrte „Red Dot Design Award“ gewonnen, was auch hier schnell die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bestätigte. Die Produktion von Cabrio-Verdecken hat PARAT inzwischen in eine reine Entwicklungsabteilung umgewandelt. Zu den Kunden zählen BMW und Audi, Daimler und Porsche. Hier konzentriert man sich auf Engineering- Dienstleistungen für Erstausrüster. Die Kompetenzen liegen hier einerseits in der Reaktionstechnik, zum anderen in der Fügetechnik, also 2D-Nähen, Vakuumkaschieren und Hochfrequenzschweißen. „Die neue Strategie der PARAT-Gruppe ist damit eindeutig: Der Spezialist aus dem Bereich Kunststoff- und Leichtbautechnologie setzt auf die kundenorientierte Ent- und Weiterentwicklung mit dem klaren Anspruch auf Markt- und Innovationsführerschaft“, fasst Frank Peters zusammen.
Bestens aufgestellt
Heute, nach über sechs Jahren, kann resümiert werden, dass PARAT besser denn je aufgestellt ist. Alle Unternehmensbereiche sind klar strukturiert und organisiert, technologisch erfüllt das Unternehmen höchste Ansprüche. PARAT steht auf neuen Märkten in den Startlöchern und verfolgt konzentriert die gesteckten Ziele. „Ohne unsere Finanzpartner würden wir sicher nicht da stehen, wo wir heute sind“, stellen Thomas Kritzenberger und Frank Peters gemeinsam fest. „Alle Beteiligten haben aktiv an der nachhaltigen Entwicklung eines weltweit erfolgreichen Unternehmens gearbeitet. Hier machen wir weiter! Bis 2020 wollen wir den Umsatz von aktuell 75 auf 100 Millionen Euro steigern.“
Quelle: Business Magazin, 12. April 2016