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NGR Next Generation Recycling wächst in atemberaubendem Tempo. Für die Finanzierung hat sich das dynamische Unternehmen jetzt die Invest AG ins Boot geholt.
Nein, über sich selbst will Josef Hochreiter nicht so gerne sprechen. Sondern lieber über NGR Next Generation Recyclingmaschinen GmbH, das Unternehmen mit Stammsitz in Feldkirchen an der Donau, an dem er die Mehrheit besitzt und das er auch operativ als Geschäftsführer leitet.
Über NGR gibt es tatsächlich viel zu erzählen. Der Spezialist für Kunststoffrecycling hat eine Unternehmensgröße erreicht, mit der Innovationen zügig vorangetrieben werden können, hat aber dennoch die Flexibilität einer dynamischen Technologieschmiede mit viel persönlicher Nähe zum Kunden erhalten. Die Oberösterreicher sind technologisch führend, der Exportanteil liegt bei 98 Prozent, neben dem Stammsitz gibt es noch Niederlassungen in den USA, China, Malaysien und Taiwan.
Über Vertriebspartner ist man sowieso weltweit präsent. 750 Kunststoffrecycling-Maschinen hat NGR seit der Gründung 1996 schon verkauft. Und damit erst einen Bruchteil des Marktpotenzials genutzt, wie Josef Hochreiter erklärt: „Im Jahr 2012 wurden weltweit 280 Millionen Tonnen Kunststoff erzeugt. Nur ein Prozent davon basierte auf nachwachsenden Rohstoffen, der Rest auf Erdöl und Erdgas.“ Zwischen sieben und acht Prozent des jährlichen Verbrauchs an den fossilen Energieträgern steckt in diesen Kunststoffen drinnen. Und: 40 Prozent der gesamten Produktion – also mehr als 100 Tonnen – werden nach einmaliger Benutzung vom Konsumenten weggeschmissen.
Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, welch enormes Potenzial in diesem Müllberg steckt – wenn man ihn dem Produktionskreislauf wieder zuführen kann. Das ist genau der Punkt, an dem NGR ansetzt. Und zwar gleich mit zwei Stoßrichtungen. Zum Ersten arbeitet man direkt mit Abfällen und Verschnitten im Produktionsprozess der Industrie, was, so Hochreiter, zu sehr hohen Recyclingquoten führt: „Hier ist das Material meist noch sortenrein und nicht verschmutzt.“ Und zum Zweiten, indem man an der Wiederaufbereitung vom Kunststoffmüll der Konsumenten arbeitet, was allerdings eine sehr schlaue Technologie voraussetzt, um aus der Vielfalt der Stoffe sortenreine und verarbeitbare Granulate wiederzugewinnen. Auch dafür haben die Oberösterreicher schon entsprechende Lösungen entwickelt. Schließlich ist die Kunststoffbranche nicht unbedingt im Schrumpfen begriffen: „Eigentlich ist es ein hochintelligentes Material, das vielerorts schon Stahl und Glas ersetzt. Man muss nur die gesamte Produktion bis zum End of Lifecycle in den Griff kriegen“, so Hochreiter. Und Probleme, welche aus verantwortungslosem Umgang mit unserer Umwelt entstanden sind, wie die riesige „Garbage Island“ im Pazifik, als wertvolle Chance sehen, die man nutzen kann.
Am Ausnutzen dieser Möglichkeiten arbeitet die NGR mit aller Kraft. Nicht nur in enger Kooperation mit Universitäten und Forschern, sondern auch durch richtungsweisende Zukäufe. Im Vorjahr etwa hat man die BRITAS Recycling-Anlagen GmbH im deutschen Hanau übernommen. Das Unternehmen ist als Hersteller und Entwickler von Filtersystemen für stark verschmutzte Kunststoffschmelzen bekannt. Hochreiter schuf eine Win-Win-Situation: Das deutsche Unternehmen bekommt über das globale NGR-Vertriebssystem Zugang zum Weltmarkt, NGR stärkt seine Kompetenz und Marktposition im Segment Post-Consumer-Kunststoffaufbereitung.
Ähnlich geschickt ist die Kooperation mit Leistritz Extrusionstechnik in Nürnberg angelegt. Aus ihr resultiert „zukunftsweisende Recycling-Compounding-Technologie“, wie es Hochreiter formuliert. Vereinfacht gesagt: Die deutschen Spezialisten ergänzen die innovativen NGR-Maschinen um ihre Doppelschneckenextruder. Der Vorteil: Damit können Additive, Füll- und Verstärkungsstoffe in die Schmelze eingetragen und so das Eigenschaftsprofil des Kunststoffs wesentlich beeinflusst werden. Das Ergebnis sind maßgeschneiderte Werkstoffe für jeden gewünschten Applikationsbereich, sogar kostenoptimierte Granulate sind möglich. „Das NGRProduktportfolio wird durch die Kooperation mit Leistritz um wichtige Bausteine erweitert, hin auf dem Weg zum Recycling-Vollsortimenter“, erklärt CEO Hochreiter.
Übernahme schließt Kreislauf
Der dritte und größte Streich auf dem Weg zur Weltmarktführerschaft setzte NGR erst vor wenigen Wochen mit der Übernahme des deutschen Spezialisten Dr. Collin GmbH. „Damit schließen wir einen Kreis im Sinne von Eco-Design“, sagt Hochreiter.
Das Unternehmen des mittlerweile 77-jährigen Heinrich Collin spezialisierte sich auf Labor- und Pilotanlagen für Kunststoff. Hochreiter: „Wir können damit schon im Herstell- und Designprozess von Kunststoffen die Anforderungen des Recyclingprozesses am Ende berücksichtigen. Gleichzeitig erfahren wir, woran die Kunststoffindustrie arbeitet, welche Art von Kunststoffen also in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Entsprechend können wir unser Produktportfolio ausrichten.“ Eine schlüssige Analyse, die auch der Markt gut versteht. NGR wächst nicht nur durch Zukäufe, sondern auch organisch rasant. Der Umsatz wächst jährlich im zweistelligen Prozentbereich und zeigt Ende April des ausgelaufenen Geschäftsjahres 34 Millionen Euro auf. Vor sechs Jahren war der Umsatz mit 14,4 Millionen Euro nicht einmal halb so hoch. Zeit, den Erfolg zu genießen, bleibt dennoch kaum. NGR ist in einem der am schnellsten wachsenden Segmente der Wirtschaft tätig; um den Vorsprung zu halten, ist schnelles Wachstum und die Entwicklung innovativer Lösungen Pflicht – aber auch eine Frage der Finanzierung. Hochreiter entschied sich auch in diesem Bereich für eine moderne und schlaue Lösung: „Wir haben schon im Vorjahr Gespräche mit der Invest AG aufgenommen. Wir brauchen für unseren Wachstumskurs mehr als eine Fremdfinanzierung, uns ging es um eine Lösung mit einem Eigenkapital-Partner.“ Die Invest AG wählte man „aufgrund des Netzwerkes: Das Unternehmen ist in die Strukturen der Raiffeisenlandesbank OÖ eingebunden, damit stand einer großen und innovativen Lösung nichts mehr im Weg“, so Hochreiter. Geeinigt hat man sich auf einen Finanzierungsmix aus sozietären Genussrechten mit Nachrangdarlehen, eine Kombination aus Stärkung der Eigenkapitalbasis und Mezzanine-Kapital (siehe Kasten).
Die Invest AG unterstützte NGR darüber hinaus bei der Strukturierung der Akquisition der Collin GmbH und begleitete die Vertragsverhandlungen mit den Banken zur Finanzierung des Kaufpreises. Hochreiter: „Ich glaube, das ist der Weg der Zukunft. Auf Grund von Basel II und III können sich Banken nur mehr eingeschränkt bewegen. Diese Form der Finanzierung, wie wir sie mit der Invest AG entwickelt haben, ist für mittelständische Unternehmen aus dem Produktionsbereich zukunftsweisend, weil man so Wachstum sicherstellen kann. Ich bin auch überzeugt, dass die Raiffeisenlandesbank OÖ bei diesem Thema eine führende Stellung hat.“ Genauso wie NGR im Kunststoff-Recycling. So gesehen fand zusammen, was sowieso zusammen gehört.
Quelle: Business Magazin, 01. Juli 2014