Erfolgsstory Parat-Gruppe: Leichtigkeit fürs E-Mobil aus dem Bayerwald

Leichtigkeit fürs E-Mobil aus dem Bayerwald

Im Foyer der Parat GmbH + Co. KG in Neureichenau (Lkr. FRG) ist der Stolz des Hauses nicht zu übersehen: Die Außenhaut aus Kunststoff für den „e.GO“ ist hier ausgestellt – ein Produkt von Parat. Über den Wandel vom Kofferhersteller zum Fahrzeug-Zulieferer spricht Frank Peters, seit 1. Oktober 2014 CEO, in der PNP-Gesprächsreihe „Elevator Pitch“.

Auf Wachstumskurs seit fünf Jahren: Frank Peters, CEO von Parat in Neureichenau, wechselte 2014 von Kraus Maffei, München, in den Bayerwald. Dieses Jahr soll der Umsatz die 100-Millionen-Euro-Grenze übersteigen. Im Foyer der Parat GmbH + Co. KG in Neureichenau (Lkr. FRG) ist der Stolz des Hauses nicht zu übersehen: Die Außenhaut aus Kunststoff für den „e.GO“ ist hier ausgestellt – ein Produkt von Parat. Über den Wandel vom Kofferhersteller zum Fahrzeug-Zulieferer spricht Frank Peters, seit 1. Oktober 2014 CEO, in der PNP-Gesprächsreihe „Elevator Pitch“.

Parat ist ein bekanntes Unternehmen in der Region. Und man weiß, dass Parat „etwas mit Kunststoff“ macht. Was genau?

Frank Peters: Die Wurzel des Unternehmens ist die Kofferherstellung – damit bringen uns die Menschen vielfach noch in Verbindung. Wir sind auch stolz darauf. Aber über die Jahrzehnte – wir feiern nächstes Jahr unser 75-Jähriges – haben wir uns zum absoluten Kunststoffexperten entwickelt, gerade in den letzten Jahren im Bereich Außenhautelemente.

Was haben diese Kunststoffelemente für Vorzüge?
Peters: Wir hinterschäumen tiefgezogene Folien. Am Beispiel eines Traktors: Die Außenhaut besteht aus einer Folie aus hochkratzbeständigem Thermoplast, der hinterschäumt wird, um eine hohe Steifigkeit und Beständigkeit zu erhalten. Hauptabnehmer sind Hersteller von Land- sowie Baumaschinen und die Caravan-Industrie. Hier ist natürlich die Firma Knaus Tabbert ein guter Partner und Kunde.
Beide Firmen verbindet ja nicht nur die räumliche Nähe, sondern auch die Insolvenz 2009.
Peters: Es waren sehr unglückliche Umstände, die 2009 zur Insolvenz geführt haben. Parat ging in die Planinsolvenz, dann wurden zwei sehr gute, neue Eigentümer gefunden. Die Linzer Invest AG und die Endurance Capital AG aus Münchenübernahmen 2010 das angeschlagene Unternehmen.
Sind sie noch an Bord?
Peters: Ja. Das zeigt, dass es sich um sehr loyale und langfristig orientierte Finanzinvestoren handelt, die viel Geduld mitgebracht haben. Zum Beispiel wurde das Cabrioverdeck-Geschäft verkauft und der Erlös vollständig ins Unternehmen reinvestiert.
Nach einer Wachstumsphase gab es dann aber einen Stillstand.Kamen Sie deshalb ins Unternehmen?
Peters: Ich kam vor fünf Jahren ins Unternehmen. Gemeinsam mit dem Management-Team haben wir angefangen, an der Wachstumsstrategie zu arbeiten. Denn wenn man Geld für Forschung und Entwicklung, für neue Maschinen und moderne Gebäude ausgeben will, muss die Firma entsprechend profitabel sein.
Wie ist das gelungen?
Peters: Wir haben uns intensiv mit dem Thema Lean Management beschäftigt, um die Produktion profitabel zu gestalten. Das war vor allem Verdienst meines Vorstandskollegen Martin Kremsreiter. Es ging um die Optimierung im Werk, Ausschussreduzierung, effizientere und schlankere Abläufe, Verkürzung von Zykluszeiten, weniger Material- und eventuell auch Personaleinsatz.
Hört sich so leicht und locker an.
Peters: Wir haben harte Einschnitte machen müssen, zum Beispiel die Schließung des oberösterreichischen Standorts Neuzeug. Das istuns nicht leicht gefallen. Glücklicherweise mussten wir hier nie Personal abbauen, weil wir Sprünge im Entwicklungsbereich geschafft haben. Es war ein Riesenpaket von Maßnahmen. Und plötzlich ist man wettbewerbsfähig, bekommt mehr Aufträge und beginnt zu wachsen – in den letzten fünf Jahren jeweils um rund zehn Prozent. In diesem Jahr werden wir sicher die Umsatzschwelle von 100 Millionen Euro überschreiten.
Welche Produkte werden in Deutschland hergestellt?
Peters: Das sind gerade die Außenhautelemente für die Land- und Baumaschinen- sowie die Caravanindustrie, aber auch für den e.GO. Was den Standort hier auszeichnet und einen großen Anteil am Erfolg ausmacht: Wir sind nicht nur in der Produktion, sondern auch im Engineering sehr stark. Der e.GO konnte so konstruiert werden, dass er produzierbar, leicht genug und vor allem wirtschaftlich ist.
Ist Carbon keine Alternative?
Peters: Carbon hat im Automobilbau durchaus seine Berechtigung – aber es ist sehr teuer und manchmal auch over-engineered. Unsere glasfaserverstärkten Bauteile haben ebenfalls eine hohe mechanische Festigkeit, sind aber wirtschaftlicher.
Sie begeistern sich sehr für den e.GO. Ist die E-Mobilität Ihrer Meinung nach die Zukunft?
Peters: Die Diskussion läuft zurzeit schon abstrus. Der Diesel wird kaputtgeredet, was ich als Ingenieur nicht verstehe. In Städten, wo es hohe Emissionsbelastungen und eine gute Ladeinfrastruktur gibt, macht das Elektroauto sehr viel Sinn, vor allem, wenn es bezahlbar ist. Ich denke, wir können über einen Anteil der E-Mobile von 20 Prozent an der gesamten Weltflotte reden –aber nicht über 100 Prozent. Das wäre auch kein guter Dienst an unserer Natur.
Wie viel günstiger oder leichter wird der e.GO durch die Außenhaut von Parat?
Peters: Um eine Außenhaut für ein Fahrzeug herzustellen, braucht es Werkzeuge, die die metallischen Bauteile formen, stanzen, biegen, umformen. Das kostet in der Entwicklung einen zweistelligen Millionenbetrag – ein echtes Invest für den Hersteller. Wenn wir eine Million Euro an Werkzeugkosten für die Außenhaut haben, ist das ausreichend, eventuell geht es sogar noch günstiger. Darum interessieren sich schon OEMs (Markenhersteller) für diesen Ansatz, vor allem für kleinere Stückzahlen und günstigere Modelle.
Ist so eine Kunstoff-Außenhaut überhaupt sicher?
Peters: Der e.GO erfüllt hohe Standards, sogar im passiven Fußgängerschutz. In der energieabsorbierenden Konstruktionen der Motorhaube steckt extrem viel Know-how von Parat. Und durch so cleveres Engineering erfüllt man dann auch hohe Sicherheitsanforderungen. Das ist die Kunst. Für mich ist ein Fahrzeug mit einer Kunststoffaußenhaut in keinem Fall unsicherer als ein metallisches Fahrzeug.
Müssen Sie Angst vor der Kunststoff-Debatte haben?
Peters: Kunststoffe sind eine sehr effiziente Auswertung des Rohstoffs Erdöl. Und es gibt extrem umweltschonende Kunststoffe. Wir können einen großen Beitrag zum Klimaschutz mit Kunststoff leisten, durch weniger Gewicht in Fahrzeugen und bei der Herstellung sowie durch eine lange Lebensdauer der Produkte. Ein schlechtes Gewissen, weil ich in der Kunststoffindustrie arbeite, habe ich nicht. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, im Supermarkt eine Plastiktüte zu nehmen. Es gibt Fälle, da ist Kunststoff tatsächlich fehl am Platze.
Arbeitet Parat bei seinen Entwicklungen mit den umliegenden Hochschulen zusammen?
Peters: Wir arbeiten viel mit der TH Deggendorf in gemeinsamen Forschungs- und Grundlagenprojekten zusammen, außerdem pflegen wir im Kunststoffbereich gute Kontakte mit der Fachhochschule Rosenheim, aber auch mit anderen Hochschulen wie der RWTH Aachen.

Wie wird ein Kunststoffspezialist aus dem Bayerischen Wald außerhalb Bayerns beurteilt?

Peters: Nach seiner Leistungsfähigkeit. Da erfüllen wir sämtliche globalen Spitzenanforderungen. Wir sind eine der innovativsten Firmen, die es überhaupt gibt.

Gegen wie viele Konkurrenten müssen Sie sich auf dem Markt behaupten?

Peters: Nehmen wir den Sonderfall e.GO. Da gibt es wenige Firmen, die diese Engineering-Kraft haben wie wir. Auf dem klassischen Feld gibt es in Deutschland einige kleinere Wettbewerber im Vergleich zu uns. Unsere Kunden sind Global Player: Liebherr, Caterpillar, die großen Caravan-Hersteller, Landmaschinenkonzerne wie AGCO. Die wollen Firmen als Partner haben, die ihnen auch global folgen können. Ich komme gerade aus China, da hat mir ein großer Kunde bestätigt: ,Wir glauben an Parat, weil ihr bereit seid, diesen Schritt zu machen.‘

Was war der Anstoß, in China einen Parat-Standort aufzubauen?

Peters: Dass uns ein Kunde aus dem Baumaschinenbereich mit einem der größten Aufträge, die wir jemals hatten, sein Vertrauen geschenkt hat. Das gab uns in der Auslastung des Unternehmens dort erst einmal Sicherheit.

Und, wie läuft’s?

Peters: Sehr gut. Wir hatten für den Anfang einen gemieteten Workshop. Gerade bauen wir selbst. Im Oktober geht es dann im großen Stil dort los.

Mit wie vielen Mitarbeitern?

Peters: Vorerst 52. In den nächsten ein, zwei Jahren wollen wir uns in Richtung 120 Beschäftigte entwickeln. Der Aufbau war auch eine Herausforderung für unsere Mitarbeiter hier. Zwei Leute waren permanent vor Ort, viele fliegen immer wieder zur Unterstützung hin. Es ist aber stets unser Ziel – ob in Ungarn, in Rumänien und auch in China: Wir wollen ein lokales Management aufbauen.

Planen Sie weitere Expansionen, zum Beispiel nach USA?

Peters: Dass Parat die Leistungsfähigkeit für diesen Schritt hat, steht für mich außer Frage. Aber zurzeit gibt es keine konkreten Pläne.

Wie entscheidet sich die Unternehmenskultur zwischen China und Niederbayern?

Peters: Natürlich gibt es Unterschiede. Ich war mein ganzes Berufsleben lang international unterwegs und habe dabei eines gelernt: Die Menschen sind nicht überall gleich, aber es gibt so viele Gemeinsamkeiten. Darauf sollte man sich konzentrieren. Ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, nach Niederbayern zum Skifahren, zum Wandern, Nordic Walking oder Mountainbiking zu fahren. Jetzt, wo ich hier lebe, empfehle ich das jedem. Es ist eine wunderschöne Region hier.

Ist das auch ein Argument im Personal-Marketing?

Peters: Es ist schwierig, das muss man zugeben. Deswegen finde ich eine Initiative wie ,Made in FRG‘ des Landkreises sehr begrüßenswert. Man geht ja nicht nach Niederbayern, weil es hier so schön ist. Die berufliche Aufgabe muss schon auch passen.

Es gelingt nach wie vor, Mitarbeiter zu finden. Ist der Fachkräftemangel bei Ihnen angekommen?

Peters: Voll angekommen würde heißen, wir bekommen keine Leute – dem ist nicht so. Es gelingt uns glücklicherweise nach wie vor, Mitarbeiter zu finden.

Wie? Mehr Geld, mehr Freizeit?

Peters: Natürlich muss man gut bezahlen. Aber die Aufgabe muss die Leute begeistern. Sie müssen sehen, hier kann ich was lernen, ich kann mich weiterentwickeln. Die Ansprüche sind natürlich gestiegen. Aber dem muss man sich als Unternehmen auch stellen.

Was könnte die Politik einem Industriestandort im Bayerischen Wald Gutes tun?

Peters: Die Energiekosten senken! Wir sind ein Unternehmen, das gerade nicht groß genug ist, Energiezuschüsse zu bekommen. Aber wenn wir mehr Energie rausschleudern würden, bekämen wir verbilligte Stromtarife. Das finde ich unfair und ist ein eindeutiger Wettbewerbsnachteil.

Planen Sie am Standort Erweiterungen?

Peters: Wir haben in den letzten fünf Jahren im ganzen Unternehmen an die 50 Millionen Euro investiert, das Gros hier am Standort. Unsere neue Halle ist gerade fertig geworden.

Sehen Sie dunkle Wolken am Konjunkturhimmel aufziehen?

Peters: Ein bisschen, unter anderem durch die Schwierigkeiten im Türkeigeschäft oder die WLTP-Diskussion (Anm: neue EU-Abgasverordnung) vor allem bei Sonderfahrzeugen. Eine allgemeine Unsicherheit ist da. Aber: Wir haben im Unternehmen in den letzten Jahren vier strategische Grundwerte geschaffen: Landmaschinen, Baumaschinen, Karavan, Koffer – das bringt eine gewisse Risiko-Balance. Wir können nicht klagen, aber man sieht erste Anzeichen.

Noch ein Blick zurück ins Krisenjahr 2009: Erinnert daran noch etwas?

Peters: Nein, gar nichts. Ich weiß, es gab die Insolvenz, sie war damals ein Einschnitt für Parat, aber das spielt heute keine Rolle mehr. Das ist eine Teamleistung. Mein Kollege Martin Kremsreiter und ich sind sehr glücklich, dass uns seit etwa einem Jahr mit Stephan Hoffmann ein Kaufmann im Vorstand verstärkt.

Nächstes Jahr wird Parat 75 Jahre alt. Was werden Sie für Zukunftspläne präsentieren?

Peters: Bei uns gibt es immer etwas Neues, ob zum 74. oder 75.. Um an die Herkunft unseres Unternehmens zu erinnern, planen wir eine Sonderedition im Taschen-Kofferbereich. Und natürlich wollen wir mit unseren Mitarbeitern hier und weltweit feiern.

 

Interview: Regina Ehm-Klier

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